Insolvenzreform: „Gesetz zur weiteren Erleichterung der Sanierung von Unternehmen“

Reform Insolvenzrecht, Schutzschirm-Verfahren, Schutzschirm, SchutzschirmverfahrenDas Bundeskabinett hat eine (weitere) Reform des Insolvenzrechts (siehe Referentenentwurf) abgesegnet. Ein wesentlicher Punkt ist die Möglichkeit für Unternehmen, bei drohender Zahlungsunfähigkeit drei Monate lang unter Aufsicht eines vorläufigen Sachwalters (nicht der Insolvenzverwalter) geschützt von Zwangsvollstreckungen einen Sanierungsplan aufzustellen. Es handelt sich um die Schaffung eines Rettungsschirms, unter den drei Monate lang Unternehmen schlüpfen können, um sich zum einen vor vollstreckenden Gläubigern zu schützen und zum anderen ein Sanierungskonzept zur Insolvenzvermeidung mit Unterstützung eines nahezu frei wählenden Beraters auszuarbeiten. Und das ist neu: die Figur Insolvenzverwalter soll zu diesem Stadium bewusst nicht auf das kriselnde Unternehmen angesetzt werden – auch nicht als vorläufiger Insolvenzverwalter.

Über die Probleme für Unternehmer und Gläubiger, die mit der Einsetzung von (vorläufigen) Insolvenzverwaltern und der damit verbundenen Fokussierung auf deren Vergütungsinteressen und Unterwerfung unter verbreitetem mangelnden (wirtschaftlichen) Sachverstand häufig verbunden sind, hatte ich ja bereits mehrfach berichtet: Das wirkt sich elementar auf das weitere Schicksal des Unternehmens und auch der (verbreitet mickrigen) Quoten für die Gläubiger aus.

Hier soll nun die aus dem amerikanischem Chapter 11 – die Ausrichtung auf die Sanierung und damit der Einräumung einer zweiten Chance statt der Überlassung eines Verwalters – bekannte Ausrichtung auf Gläubigerschutz im Interesse einer Sanierung – letztlich auch zugunsten der Gläubiger, die aktuell von Insolvenzverwaltern nach deren Abrechnung der teilweise nicht nachvollziehbaren Vergütungen mit durchschnittlich rund drei Prozent (!) bedacht werden.

Die bisher – trotz Kritik – immer noch anzutreffende Insolvenzverwaltung ist übel; Von dem bekannten Insolvenzrechtler und Gründer der Gläubigerschutzvereinigung Prof. Dr. Haarmeyer stammt der in der Süddeutschen Zeitung vom 14.09.2009 unter der Überschrift „Plattmachen statt Sanieren“ geäußerte Satz:
„Statt die Gläubiger bestmöglich zu befriedigen, versorgt die Abwicklung eines Insolvenzverfahrens offenbar weitgehend und flächendeckend nur die Insolvenzverwalter und die mit ihnen verbundenen Strukturen“.

Diese pointierte Feststellung des ehemaligen Insolvenzrichters gilt nach meinen Beobachtungen auch heute noch.
Nun soll mit Engagement der Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger ein großer Schritt getan werden: Weg vom Pleitegeier – hin  zur „echten Chance zur Sanierung“; in der Pressemitteilung des Bundesjustizministeriums heißt es „Mentalitätswechsel für eine andere Insolvenzkultur“.

Die wesentlichen Instrumente des Schutzschirmverfahrens und der Stärkung der Gläubigerautonomie sind dabei nach meiner Einschätzung wichtige Impulse und ich hoffe, dass der jetzt geplante Schutzschirm für viele Unternehmen wirksam sein wird: Ein Schutz vor allem vor einzelnen Gläubigern bzw. deren hieran verdienenden Inkasso-Anwälten, die im Wettlauf der Vollstreckungsgläubiger alles nur noch schlimmer machen und ein Schutz vor (vorläufigen) Insolvenzverwaltern, bei deren Einsetzung in vielen Fällen das Schicksal eines Unternehmens besiegelt ist.
Nach meiner Erfahrung sehen nicht nur die Perspektiven des betroffenen Unternehmens besser aus, wenn eine Insolvenzvermeidung sich umsetzen lässt – auch für die Gläubiger und deren Befriedigungsaussichten  ist bei einer zukünftig möglichen Regulierung/Sanierung unter einem Schutzschirm unter Vermeidung der Figur Insolvenzverwalter und der Wertevernichtung durch die dann später abgerechnete Vergütung eine erhebliche Besserung zu den jetzt verbreiteten Zuständen zu erwarten.

Zu befürchten ist, dass das sog. „SchutzschirmVerfahren“ letztlich doch nur eine Vorstufe eines Insolvenzverfahrens wird und nicht hält, was es verspricht.

Über den Fortgang der Reform und dem In-Kraft-treten werde ich weiter berichten.

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    4 Kommentare zu “Insolvenzreform: „Gesetz zur weiteren Erleichterung der Sanierung von Unternehmen“

    1. Zorro
      says:

      Wie würde denn die Insolvenzgeldvorfinanzierung im Rahmen eines Schutzschirmverfahrens ablaufen?

      Das Insolvenzgeld ist bekanntermaßen eine wichtige Quelle zur Sanierung eines Unternehmens.

      Sollte sich im Anschluss an das Schutzschirmverfahrens sofort die Eröffnung des Verfahrens anschliessen, müsste die Vorfinanzierung während des Schutzschirmverfahrens stattfinden.

      Ich habe berechtigte Zweifel, ob ein Kreditinstitut während des Schutzschirmverfahrens (wenn die Wahrscheinlichkeit einer Eröffnung gegenüber dem derzeitigen Verfahren abnimmt) das Insolvenzgeld vorfinanzieren würde.

    2. Oliver Syren, Rechtsanwalt (Wirtschaftsrecht & Insolvenzrecht), Hamburg
      says:

      Ja – es sind viele Fragen offen, einige Fragen von Ihnen werden jedoch bereits durch den Entwurf beantwortet.

      Kurz: es wird die Figur des vorläufigen Sachwalters eingeführt. Der (nicht vorläufige) Sachwalter ist zumindest in der Theorie (in der Praxis selten umgesetzt) im Falle der Eigenverwaltung anzutreffen. Für den vorläufigen Sachwalter gelten natürlich Vorschriften für die Figur des bekannten Sachwalters (§§ 274, 275 InsO) analog.

      Dennoch ist – hier vieles unklar bzw. offen gelassen und letztlich auch problematisch: Es bleibt ein Va Banque Spiel auch bei Institutionalisierung einer solchen Figur, angefangen bei der Gefahr, dass sich wie aus dem Kreise der Insolvenzverwalter Vergütungsinteressen in den Vordergrund schieben. Der vorläufige Sachwalter wird kurz gesagt wir eine vorläufiger Verwalter nach Festsetzung des Insolvenzgerichts nach dem für die betroffenen Unternehmen schwer nachvollziehbaren Vergütungsgesetz bezahlt. Es besteht das Risiko, dass hier – wie bereits bei vielen Insolvenzverfahren – weiterhin Werte vernichtet werden, statt Unternehmen zu sanieren und zu retten; es verdienen in der umständlichen und teilweise uneffektiven Institutionalisierung des Insolvenzverfahrens in Deutschland dann neben (vorläufigen) Insolvenzverwalter auch noch vorläufige Sachwalter. Das Geld fehlt dann nicht nur zum Wirtschaften für das betroffenen Unternehmen sondern auch für die Zahlungen an die betroffenen Gläubiger.

      Das Ziel sollte dagegen sein, ausgehend von der wirtschaftlichen Situation sowie der Perspektiven der kriselnden Unternehmen unter Vermeidung von (nicht angemessenen und nicht nachvollziehbaren) Kosten einer „Verwaltung“ eine für das Unternehmen und die Gläubiger optimale Lösung zu erzielen. Hierfür gibt es kein Patentrezept – es sind in jedem Einzelfall anhand der Ursachen der Schieflage unter Einbeziehung der Gläubiger mögliche außergerichtliche Regulierungen zu erarbeiten und einem Insolvenzszenario gegenüber zu stellen. Hier wird dann häufig deutlich, das ein Insolvenzverfahren für die Gläubiger keine gute Lösung ist – bei Quoten von um die drei Prozent in einem bürokratischen langwierigen Insolvenzverfahren.
      In manchen Fällen gibt es – sobald ein Insolvenzgrund vorliegt ergibt sich die Insolvenzantragspflicht – keine andere Lösung, dann gilt es in den Insolvenzverfahren (auch gegenüber den Verwaltern) die betroffenen Geschäftsführer und Gesellschafter, Arbeitnehmer und die Gläubiger optimal zu vertreten.

      Voraussichtlich werden sich einige gute vorläufige Sachwalter über ein zukünftiges Schutzschirmverfahren den vorbeschriebenen Zielen annähern – drei Monate sind jedoch wirklich in manchen Fällen recht kurz bemessen, denn man ist ja von Entscheidungen der Gläubiger abhängig und die lassen manches Mal – auch bei rational deutlich feststellbaren Vorteilen etwa einer Stundung- und Vergleichsentscheidung – auf sich warten. Zudem lässt das Insolvenzgericht nach dem vorgesehenen § 270b Abs. 3 InsO das Schutzschirmverfahren platzen, wenn Zahlungsunfähigkeit eintritt. Das ganze ist natürlich mit dem Damoklesschwert der Insolvenzverschleppung für die Geschäftsführung sowie einer möglichen Haftung des vorläufigen Sachwalters verbunden und wird zu einer weiter ausufernden Rechtsprechung führen.
      Dennoch ist diese Reform ein wichtiger Impuls in Richtung Sanierung und Insolvenzvermeidung. Ich erwarte gute Möglichkeiten für alle Beteiligten, gerade auch für die in vielen Insolvenzverfahren leer ausgehenden Gläubiger, eine außergerichtliche Lösung zu finden.

    3. Captain Kirk
      says:

      Ok, das klingt erst einmal gut. Jetzt aber mal vier Fragen:

      – Aus welchen Personenkreis werden die Sachwalter rekrutiert? Wenn das derselbe Personen-Pool wie bei den Insolvenzverwaltern ist, haben wir wohl nicht viel gewonnen. Dann ist der Sachwalter ja nichts anderes wie der vorläufige Insolvenzverwalter, nur mit anderem Deckmäntelchen.
      – Wer bestellt denn den Sachwalter? Ok, wahrscheinlich das zuständige Gericht. Und wo kommen die Sachwalter her? siehe oben
      – Wer bezahlt den die Sachwalter? Oder bekommt es sein Honorar genauso gesichert wie ein Insolvenzverwalter? … andernfalls eben Ablehnung mangels Masse?
      – Und jetzt die wirklich interessante Frage: Glaubt tatsächlich irgend jemand, drei Monate Regenschirm sei wirklich ausreichend, um den Turnaround bei einem Unternehmen zu schaffen? Mein Gefühl sagt mir, dass hier ein Tropfen auf einen kochend heißen Stein fallen gelassen wird.

      Na ja, lassen wir uns mal überraschen. Das wird spannend. Ich befürchte aber, dass die Idee mit den Sachwaltern doch eher eine Ente wird.

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