BGH zur Haftung eines bürgenden Gesellschafters einer GmbH

Insolvenz, Haftung Gesellschafter, Geschäftsführerhaftung, Gesellschafterhaftung, Eigenkapitalersatz, Bürgschaft, bürgender Gesellschafter in der InsolvenzIn Insolvenzverfahren von GmbHs, Aktiengesellschaften und anderen Kapitalgesellschaften prüfen die Verwalter regelmäßig auch sog. „insolvenzspezifische Haftungsansprüche“ von Geschäftsführern und Gesellschaftern. In vielen Fällen schlägt die Krise der Gesellschaft auf die Geschäftsführer/Vorstände oder sogar auf die Gesellschafter durch: Zunächst lassen sich Banken die Darlehen regelmäßig durch Bürgschaften der Gesellschafter absichern – freilich neben weiteren sog. Mobiliarsicherheiten (Anlagevermögen, Warenbestand usw.). Mit diesen Banken gilt es, sich über die Haftungssituation auseinander zu setzen.

Nun besteht die verständliche Hoffnung der Gesellschafter, dass durch Zahlungen vor Insolvenz oder hiernach durch Befriedigung bei Verwertung etwa von Maschinen, eine entsprechende Befreiung aus der Bürgschaftsschuld erreicht wird. Die juristischen Details sind komplex und werden unter dem Stichwort „Eigenkapitalersatz“ diskutiert. Auf den Punkt gebracht ist es so, dass nach der Wertung des Gesellschaftsrechts und der Gerichte ein Gesellschafter in der „Krise“ keine Zahlungen mehr erhalten soll und auch keine Befreiung von seinen Verbindlichkeiten gegenüber der Gesellschaft.
Relevant und durchleuchtet werden diese Vorgänge wie gesagt im Insolvenzverfahren – häufig erst nach dem Abschluss einer eher „freundlichen Phase“ einer Betriebsfortführung im Dialog mit der Unternehmensführung. Anhaltspunkte hierfür lassen sich bei (gründlichen) Insolvenzverwaltern bereits im Gutachten vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens finden; eine Akteneinsicht lässt also hier in die Karten schauen.

Jüngst hat der Bundesgerichtshof (BGH, das höchste deutsche Zivilgericht, Entscheidung vom 20.07.2009 Aktenzeichen II ZR 36/08) in einem besonders brisanten Fall über die Haftung eines bürgenden Gesellschafters entschieden: Der Gesellschafter hatte (persönlich) Maschinen von seiner Gesellschaft zu einem Preis deutlich über dem Marktwert erworben – das Darlehen bei der Bank wurde durch Zahlung des Gesellschafters vollständig rückgeführt und der Gesellschafter hierdurch frei von seiner Bürgschaftsschuld.
Nach der Bewertung des BGH – habe es sich hierbei um eine unzulässige Zahlung (nach Eintritt der Gesellschaftskrise) gehandelt, die an den zwischenzeitlich bestellten Insolvenzverwalter (dem Kläger) zurück zu gewähren sei. Für Unternehmer besonders irritierend dürfte die Tatsache sein, dass der BGH es für nicht maßgeblich hielt, dass der Gesellschafter einen Kaufpreis deutlich über dem Marktwert gezahlt hatte. Er ist hierdurch doppelt gestraft: durch die Zahlung eines zu hohen Preises und den Haftungsanspruch des Verwalters in Höhe des gesamten (überhöhten) Kaufpreises.

Das Urteil des BGH erging übrigens nach dem „alten“ Recht vor der Reform durch MoMiG (Gesetz zur Modernisierung des GmbH-Rechts und zur Bekämpfung von Missbräuchen). Dennoch ist diese Entscheidung bedeutsam für aktuelle gesellschaftsrechtliche Beurteilungen: Die Anfechtungsvorschrift des § 135 InsO verschafft dem Insolvenzverwalter ein Instrument, vom bürgenden Gesellschafter Zahlungen in Höhe der Entlastung von seiner Bürgschaftsschuld bis zu einem Jahr vor dem Insolvenzantrag zu verlangen.

Wenn die Verteidigung in einem Prozess gegen den Insolvenzverwalter keinen Erfolg verspricht – bleibt häufig nur die Folgeinsolvenz oder eine gütliche Einigung unter Berücksichtigung der eigenen Vermögenslage des betroffenen Gesellschafters.

Update: Änderung durch das MoMiG:

Wie ich bereits in vielen Fällen erfolgreich argumentiert habe, setzt die Anfechtung nach § 135 InsO eine Gläubigerbenachteiligung und eine (anzufechtende) Rechtshandlung vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens voraus: Beides ist nach meiner rechtlichen Bewertung gerade nicht der Fall, wenn ein Insolvenzverwalter an die absonderungsberechtigte Bank (wegen einer Globalzession oder einem Grundpfandrecht nach Verwertung einer Gewerbeimmobilie) auskehrt und hierdurch der Gesellschafter aus der parallel gewährten Bürgschaft entlastet wird.

Jüngst hat erfreulicherweise ein Oberlandesgericht entschieden:

Leitsätze:

  • 1. Sind zugunsten des Gläubigers einer GmbH Sicherungsrechte an Vermögensgegenständen der Gesellschaft und wegen derselben Forderung Sicherheiten durch einen Gesellschafter bestellt worden, kann der Insolvenzverwalter über das Vermögen dieser Gesellschaft nach Verwertung der dem Absonderungsrecht unterliegenden Gegenstände und Auskehr des Erlöses an den Gläubiger nicht mit Erfolg die Insolvenzanfechtung gegenüber dem Gesellschafter mit der Begründung geltend machen, durch die Tilgung der Gesellschaftsschuld sei die Sicherheit entsprechend frei geworden. (amtlicher Leitsatz)
  • 2. Insbesondere ist eine Anfechtung nach § 135 Abs. 2 InsO in der seit dem 1. 11. 2008 geltenden Fassung nicht möglich, da die maßgebliche Rechtshandlung entgegen § 129 Abs. 1 InsO nicht vor der Eröffnung des Insolvenzverfahrens vorgenommen wurde. (amtlicher Leitsatz)
  • 3. § 135 Abs. 2 InsO n. F. ist auf die vorstehend dargestellte Situation auch nicht über den Wortlaut des § 129 Abs. 1 InsO hinaus entsprechend anzuwenden. (amtlicher Leitsatz)

Normenkette: §§ 129 Abs. 1, 135 Abs. 2, 143 Abs. 3 InsO

Diese Bestätigung meiner seit Gesetzesänderung durch das MoMiG vertretenen Rechtsauffassung ist erfreulich; die Revision ist jedoch zugelassen worden und der BGH muss jetzt in dieser für die Praxis sehr relevante Fallkonstellation entscheiden.  Ich gehe davon aus, dass das obergerichtliche Urteil bestätigt wird, da eine Annahme der Haftung von Gesellschaftern in diesen Fällen mangels Rechtshandlung vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens und mangels Gläubigerbenachteiligung (die Gesellschafts-Sicherheit eröffnete von vornherein ein Absonderungsrecht) nach den klaren Vorgaben der §§ 129 InsO contra legem wäre und eine derartige (wiederholte) Ausuferung nach Zielsetzung des Gesetzgebers gerade mit dem MoMiG eingedämmt werden sollte.

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