Wie bereits hier und dort berichtet, ist seit längerem geplant, das Verbraucherinsolvenzverfahren zu verschlanken und insbesondere die – gemessen an einigen anderen europäischen Staaten – lange Wohlverhaltensperiode von aktuell sechs auf drei Jahre zu verkürzen.
Auf dem achten Deutschen Insolvenzrechtstag heute in Berlin hat Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger ihre Pläne für die zweite Stufe der Insolvenzrechtsreform weiter konkretisiert. Sie kündigte noch einmal die Verkürzung der Wohlverhaltensperiode auf nur noch drei Jahre ausdrücklich an; wie bereits von mir berichtet, wird eine solche aber tatsächlich an zwei Voraussetzungen gekoppelt:
- Begleichung sämtlicher Verfahrenskosten (Gerichtskosten und Treuhändervergütung)
- Erreichen einer Mindestquote von voraussichtlich 25%
Zur Begründung dieser „Zwei-Klassen-Wohlverhaltensperiode“ meint die Justizministerin:
Von Gläubigerseite wurde schon frühzeitig die Besorgnis geäußert, dass sich die Halbierung der Wohlverhaltensperiode dramatisch auf die Zahlungsmoral der Schuldner auswirken könnte. Diese Befürchtung nehme ich sehr ernst. Mir ist bewusst, dass insbesondere die Existenz kleiner und mittlerer Unternehmen von der pünktlichen und zuverlässigen Begleichung offener Forderungen abhängt. Wir dürfen auf keinen Fall einer Mentalität Vorschub leisten, die den eigenen Konsum „auf Pump“ finanziert. Die Verkürzung der Restschuldbefreiungsdauer ist deshalb nicht „zum Nulltarif“ zu haben. Eine Restschuldbefreiung nach drei Jahren möchte ich daher von zwei Voraussetzungen abhängig machen: Zum Einen sind sämtliche Verfahrenskosten zu begleichen. Zum Anderen hat der Schuldner einen Beitrag zur Befriedigung der Gläubiger zu leisten; denken Sie zum Beispiel an eine Quote von etwa 25 %. Kann der Schuldner diese Voraussetzungen nicht erfüllen, bleibt es bei der bisherigen Restschuldbefreiungsdauer von sechs Jahren. Die Möglichkeit, die Restschuldbefreiung zu verkürzen, soll den Schuldnern einen Anreiz geben, durch erhebliche Anstrengungen einen schnellen Neustart zu bekommen. Von diesem Ansatz werden bei gesamtwirtschaftlicher Betrachtung auch die Gläubiger profitieren. Anreizstrukturen sind effektiver als Strafen. Und nichts dürfte den Schuldner mehr zu überobligatorischen Anstrengungen motivieren, als eine Verkürzung der Wohlverhaltensperiode. Diesem Aspekt trägt die Insolvenzordnung bislang nicht ausreichend Rechnung.
Die gesamte Rede der BJM Sabine Leutheusser-Schnarrenberger auf dem Achten Deutschen Insolvenzrechtstag in Berlin ist hier zu finden.
Angesichts der Tatsache, dass in den allermeisten Verbraucher-Insolvenzverfahren keine Quote erzielt werden kann, rechne ich – sollte es tatsächlich bei dieser Kopplung an die recht hohe Mindestquote bleiben – mit einer praktisch kaum relevanten Motivation. Es ist ja auch so, dass der Erledigungsvermerk nach Erlangung der Restschuldbefreiung in der Schufa erst nach weiteren drei Jahren gelöscht wird: macht selbst dann insgesamt immer noch sechs Jahre bis zu einem wirklichen wirtschaftlichen Neuanfang.
Damit steht jetzt schon fest, dass es weiterhin eine bessere Wahl als ein Insolvenzverfahren mit auf drei Jahren verkürzte Wohlverhaltensperiode geben wird: die außergerichtliche Schuldenregulierung mit nennenswerter Quote und unter Vermeidung der Kosten eines (auch für die Gläubiger) bürokratischen, langatmigen Insolvenzverfahrens.
Hier nun die gute Nachricht der Justizministerin auf dem heutigen Insolvenzrechtstag in Berlin:
Der (bei Verbraucherinsolvenzen vorgeschriebene) außergerichtliche Schuldenbereinigungsversuch soll zukünftig die Zustimmungsersetzung einzelner Ablehnungen von Gläubigern vorsehen.
Stay tuned: Über die weitere Entwicklung der weiteren Reform-Umsetzungen werde ich natürlich hier weiter berichten.
Update: Auf vielfache Nachfrage danach, wann die Änderungen umgesetzt werden – da bisher lediglich ein erster Regierungsentwurf vorliegt und bald die Sommerpause ansteht, rechne ich nicht damit, dass vor Ende des Jahres oder nächstes Jahr der Bundestag die Verkürzung absegnen wird; ich werde hier natürlich unmittelbar berichten, wenn es Entwicklungen gibt.
…inzwischen liegt die Stellungnahme des Bundesrates vor – über die aktuelle Entwicklung berichte ich fortlaufend unter http://www.insolvenz-news.de, Sie können hierzu auch die Suchfunktion benutzen, Stichwort „Verkürzung Restschuldbefreiung“.
Seit der Initiative ist nunmehr wieder ein Jahr vergangen. In einigen Monaten beginnt der Vorwahlkampf. Ist überhauot noch mit einer Reform in dieser Legislaturperiode zu rechnen?
Leider sind die Ministerialbeamten und die Politiker langsam und die beabsichtigte Verkürzung der Wohlverhaltensperiode bis zur Restschuldbefreiung bzw. die Erfüllung der Mindestquote von 25% von allen Seiten kritisiert worden. Dennoch: da es die 2. Stufe des Reformvorhabens ist, wird die amtierende BJMin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger kaum zurückrudern können; außer die wackelige CDU/FDP Koalition platzt vor der nächsten Bt-Wahl.
Stay tuned – ich werde bei Neuigkeiten hier gleich berichten…
Da sich da nichts tut in dieser Richtung,werde ich mich wohl mit abfinden müssen,dass was ich angerichtet habe,noch ein paar Jahre länger ausbaden.So ist es wenn man vertraut,aber man lernt daraus 🙂
Auf mehrfache Nachfrage, was es mit der geplanten „Zustimmungsersetzung“ bereits in der Phase eines außergerichtlichen Schuldenbereinigungsversuchs auf sich haben wird:
Ich gehe davon aus, dass die aktuelle Regelung in der Phase des Gerichtlichen Schuldenbereinigungsplans (hiervon wird in der Praxis regelmäßig abgesehen) in § 309 InsO in die Phase des außergerichtlichen Schuldenbereinigungsversuchs übertragen wird.
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§ 309 InsO – Ersetzung der Zustimmung (Gerichtlicher Schuldenbereinigungsplan)
(1) Hat dem Schuldenbereinigungsplan mehr als die Hälfte der benannten Gläubiger zugestimmt und beträgt die Summe der Ansprüche der zustimmenden Gläubiger mehr als die Hälfte der Summe der Ansprüche der benannten Gläubiger, so ersetzt das Insolvenzgericht auf Antrag eines Gläubigers oder des Schuldners die Einwendungen eines Gläubigers gegen den Schuldenbereinigungsplan durch eine Zustimmung. Dies gilt nicht, wenn
1. der Gläubiger, der Einwendungen erhoben hat, im Verhältnis zu den übrigen Gläubigern nicht angemessen beteiligt wird oder
2. dieser Gläubiger durch den Schuldenbereinigungsplan voraussichtlich wirtschaftlich schlechter gestellt wird, als er bei Durchführung des Verfahrens über die Anträge auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens und Erteilung von Restschuldbefreiung stünde; hierbei ist im Zweifel zugrunde zu legen, daß die Einkommens-, Vermögens- und Familienverhältnisse des Schuldners zum Zeitpunkt des Antrags nach Satz 1 während der gesamten Dauer des Verfahrens maßgeblich bleiben.
(2) Vor der Entscheidung ist der Gläubiger zu hören. Die Gründe, die gemäß Absatz 1 Satz 2 einer Ersetzung seiner Einwendungen durch eine Zustimmung entgegenstehen, hat er glaubhaft zu machen. Gegen den Beschluß steht dem Antragsteller und dem Gläubiger, dessen Zustimmung ersetzt wird, die sofortige Beschwerde zu. § 4a Abs. 2 gilt entsprechend.
(3) Macht ein Gläubiger Tatsachen glaubhaft, aus denen sich ernsthafte Zweifel ergeben, ob eine vom Schuldner angegebene Forderung besteht oder sich auf einen höheren oder niedrigeren Betrag richtet als angegeben, und hängt vom Ausgang des Streits ab, ob der Gläubiger im Verhältnis zu den übrigen Gläubigern angemessen beteiligt wird (Absatz 1 Satz 2 Nr. 1), so kann die Zustimmung dieses Gläubigers nicht ersetzt werden.
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Die Zustimmungsersetzung bei der außergerichtlichen Regulierung wird zielführend sein, weil nach meiner Erfahrung gerade häufig Gläubiger mit geringeren Forderungen einer (im Unterschied zu den geringen Quoten eines ansonsten durchzuführenden Insolvenzverfahrens) Regulierung nicht zustimmen, weil davon ausgegangen wird, dass eine derartig geringe Summe jedenfalls beglichen werden kann und den Gläubigern naturgemäß der Grundsatz der Gläubigergleichbehandlung wurscht ist. Demgegenüber bringt eine solche Lösung (überwiegend über Teilzahlungen von Dritter Seite) auch für die Gläubiger Vorteile – häufig werden dann Quoten von 20-30% erzielt gegenüber einer Null-Quote im Insolvenzverfahren. Der Vorteil für die betroffenen Verschuldeten: Sie können ihr unternehmerisches Potential schnell wieder aktivieren (also das, was BMJ Sabine Leutheusser-Schnarrenberger erreichen will.
Wobei es so ist, dass auch im Insolvenzverfahren und hiernach in der sog. Wohlverhaltensperiode eine unternehmerischen Tätigkeit möglich ist – sie ist freilich mit einigen Risiken behaftet und unterliegt im eigentlichen Insolvenzverfahren der absoluten Kontrolle der Figur Insolvenzverwalter, der in vielen Fällen nach seinen Vergütungsinteressen agiert.