Das Gesetzesvorhaben zur Reform der Privat-/Verbraucherinsolvenz ist inzwischen im Bundestag angekommen und es erfolgte Ende November die sog. erste Lesung.
Wie berichtet, ist ein wichtiger Bestandteil der geplanten Reform die Verkürzung der Restschuldbefreiung bei Privatinsolvenzen von aktuell 6 auf 3 Jahre; da diese Verkürzung jedoch an eine Mindestquote von 25% und Begleichung der Kosten des Insolvenzverfahrens gekoppelt werden soll, ist nicht mit hoher praktischer Relevanz zu rechnen.
Sehr praxisrelevant ist ein weiterer Regelungspunkt:
Der Bundesrat will den außergerichtlichen Einigungsversuch stärken (ggf. mit Zustimmungsersetzung einzelner „renitenter“ Gläubiger) – die Regierung will hierfür einen Insolvenzplan im laufenden Insolvenzverfahren einführen
Wie berichtet, hat der Bundesrat eine Stellungnahme zum Regierungsentwurf abgegeben, in dem angeregt wurde, ein dem Insolvenzverfahren vorgelagertes Zustimmungsersetzungsverfahren einzuführen, wenn einzelne Gläubiger sich gegen einen wirtschaftlich sinnvollen außergerichtlichen Einigungsversuch aussprechen. Ein derartiges Ersetzungsverfahren war im ersten Entwurf (dem Referentenentwurf) noch vorgesehen und war danach im Regierungsentwurf spurlos verschwunden. Stattdessen ist ein Insolvenzplan (sonst nur für wenige große Unternehmensinsolvenzen relevant) vorgesehen gewesen, der jedoch nicht die Vorteile einer außergerichtlichen Einigung ohne Insolvenzverfahren (früher, schneller und günstiger) hat.
Eine außergerichtliche Einigung ist jedoch erfahrungsgemäß im Interesse aller Beteiligten vorteilhafter – nicht zuletzt wegen des Kosten und der Bürokratie eines Insolvenzverfahrens.
In der ersten Lesung des Bundestages wurde erfreulicherweise von einigen Abgeordneten kritisiert, dass der zunächst vorgesehene gestärkte außergerichtliche Regulierungsversuch (mit ggf. gerichtlicher Ersetzung bei Nichtzustimmung einzelner Gläubiger) im aktuellen Regierungsentwurf nicht mehr vorhanden war und stattdessen ein bürokratisches unpraktikables Insolvenzplan aus dem laufenden Insolvenzverfahren heraus.
Die Abgeordnete Sonja Steffen von der SPD-Fraktion hat dies ausdrücklich angesprochen:
Überraschenderweise sieht der Regierungsentwurf im Gegensatz zum Referentenentwurf hierfür vor, „das mittlerweile weitgehend bedeutungslose gerichtliche Schuldenbereinigungsplanverfahren abzuschaffen und stattdessen auch in den Verbraucherinsolvenzverfahren das bewährte Instrument des Insolvenzplans zuzulassen“. Mit diesem Vorhaben stoßen Sie nicht nur bei den Schuldnerberatern und Verbraucherschützern auf massive Kritik; auch der Bundesrat hat hier erhebliche Zweifel angemeldet.
(Auszug aus dem Stenografischen Bericht Dt. Bundestag, 211. Sitzung, 29.11.2012)
Auch die Abgeordnete der CDU/CSU-Fraktion Elisabeth Winkelmeier-Becker hat Bezug auf die Kritik der Schuldnerberater genommen, und dargestellt, dass das Ziel einer Stärkung der außergerichtlichen Einigung durch den Wegfall der gerichtlichen Zustimmungsersetzung aus ihrer Sicht gefährdet erscheint.
Wird die sinnvolle Stärkung des außergerichtlichen Einigungsversuchs noch kommen?
Im Interesse sowohl von betroffnen Schuldner als auch von Gläubigern ist zu hoffen, dass sich letztlich eine Stärkung einer außergerichtlichen Einigung (mit ggf. Zustimmungsersetzung von Minderheiten-Gläubigern) und nicht der unpassende Insolvenzplan durchsetzt. Nach meiner Erfahrung stellt eine außergerichtliche Regulierung (ohne Kosten eines Insolvenzverfahrens, ohne die Figur eines Verwalters/Treuhänders mit eigenen Interessen) auch für die Gläubiger in vielen Fällen eine gute Chance zur Regulierung dar.
Es wäre eine klägliche Reform, wenn für Privatinsolvenzen das hier unpraktikable Insolvenzplanverfahren eingeführt würde, anstatt den bewährten Einigungsversuch vor dem Insolvenzverfahren zu stärken. Das von der Justizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger ausdrücklich selbst dargestellte Ziel es künftig jedem Schuldner, in Einvernehmen mit seinen Gläubigern flexibel und schnell zu einer Entschuldung zu gelangen (so die Darstellung in der ersten Lesung des Bundestages), ist vorgelagert – vor dem Insolvenzverfahren – im Wege einer Einigung besser zu erreichen; eine Zustimmungsersetzung einzelner Gläubiger würde für die Beteiligten (Schuldner und Gläubiger) eine Entbürokratisierung sowie Verschnellerung und Verbesserung der Befriedigungsaussichten bedeuten.
Bereits jetzt sind die Erfahrungen mit außergerichtlichen Regulierungen sehr positiv
Nach meinen Feststellungen sind viele Gläubiger bereit, einem vernünftigen Gläubigervergleich zuzustimmen, statt in einem Insolvenzverfahren auf die geringen Quoten von wenigen Prozentpunkten (durchschnittlich bis 3 %) zu hoffen. Klienten rate ich daher, nicht auf für sie positive Änderungen abzuwarten, sondern jetzt Initiative zu einem sinnvollen Versuch einer außergerichtlichen Lösung/Einigung mit den Gläubigern zu ergreifen. Wenn dann die Zustimmungsersetzung, bzw. die Verkürzung der Wohlverhaltensperiode auf drei Jahre tatsächlich eingeführt wird, kann immer noch der Weg einer (modifizierten) außergerichtlichen Einigung mit Zustimmungsersetzung bzw. letztlich eines schnelleren Insolvenzverfahrens mit Restschuldbefreiung beschritten werden.
Wenn Sie Fragen zu den aktuellen Möglichkeiten einer außergerichtlichen Schuldenregulierung (zur Vermeidung eines Insolvenzverfahrens) haben, können Sie gerne für ergänzende Informationen Kontakt aufnehmen.
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