Hamburger Sietas Werft ist insolvent

Sietas Werft Insolvenz - Rüdiger Fuchs Insolvenzverwalter Berthold BrinkmannDie im Jahre 1635 gegründete traditionsreiche Sietas-Wert (Fa. J. J. Sietas KG Schiffswerft GmbH u. Co.) ist insolvent; am heutigen Freitag ist Rechtsanwalt Berthold Brinkmann als vorläufiger Insolvenzverwalter eingesetzt worden. Es sind rund 700 Arbeitnehmer betroffen – weitere 250 Arbeitsplätze bei einem Tochterunternehmen (Neuenfelder Maschinenfabrik – ein Schiffsausrüster) sind ebenso gefährdet.

Die Krise war bereits 2009 absehbar – während der Wirtschaftskrise im Jahr 2008 gingen die Aufträge im Bereich Containerschiffe erheblich zurück. Anfang März 2009 wurde vom größten Gläubiger der Werft – der HSH Nordbank – ein neues Management eingesetzt: Der ehemalige Airbus-Manager Rüdiger Fuchs hat die Führung von Sietas Anfang 2009 vom Alleineigner Hinrich Sietas übernommen. Damit wird die Werft erstmals seit 1635 vom Familienfremden geführt.

wurde vom größten Gläubiger der Werft, der HSH Nordbank, Anfang März 2009 ein neues Management eingesetzt. Damit wird die Werft erstmals seit 1635 von Familienfremden geführt.

Die Werft wurde dann auf Spezialschiffe ausgerichtet und erhielt Ende 2010 den Auftrag für das erste in Deutschland zu bauende Offshore-Windkraft-Transport- und Installationsschiff – eigentlich ein neues Geschäftsfeld mit Potential im Offshore-Windpark-Markt.

Offenbar sind die Altlasten aus der Zeit vor der Umstellung des Geschäftsfeldes zu hoch.

Die älteste noch bestehende Werft in Hamburg muss jetzt vom vorläufigen Insolvenzverwalter bis zur Eröffnung des Insolvenzverfahrens fortgeführt werden – die Löhne der Mitarbeiter sind über die üblichen drei Monate (bis einschließlich Januar 2012) durch Zahlung von Insolvenzgeld abgesichert. Die Eröffnung des eigentlichen Insolvenzverfahrens ist daher für Februar 2012 zu erwarten.

Bis dahin besteht Zeit, die laufenden Aufträge (Bau von Fähren, Saugbagger und dem besagten Offshore-Installations-Schiff) abzuarbeiten, wozu ein Massekredit benötigt wird. Angesichts der Neuausrichtung auf den Offshore-Windpark-Wachstumsmarkt wird branchenintern damit gerechnet, dass ein Investor leicht zu finden sein wird, bzw. bereits auf Übernahme lauert und nur die Entlastung vom Schuldenberg durch das Insolvenzverfahren abwartete. Die Arbeitsplätze sind durch die Verpflichtung eines Übernehmers, die Arbeitnehmer mit zu übernehmen (§ 613a BGB) weitestgehend geschützt.
Das Nachsehen haben die Gläubiger, da in Anbetracht der hohen Insolvenzmasse und der Betriebsfortführung die Verwaltervergütung sehr hoch ausfallen wird und entsprechend weniger Insolvenzquote verbleibt. Eine Beteiligung im Insolvenzverfahren über den einzurichtenden Gläubigerausschuss und Gläubigerversammlung ist daher anzuraten – auch um die entsprechende Mitwirkungs- und Kontrollfunktion ausüben zu können.

Update: 22. Nov. 2011

Teuer wird es übrigens auch für die Steuerzahler: sowohl der Bund als auch die Stadt Hamburg hatten der Werft noch im Jahr 2009 erhebliche Bürgschaften gewährt in Höhe von € 34 Mio. (Stadt Hamburg) bzw. € 26 Mio. (Bund); diese Bürgschaften werden jetzt im Insolvenzverfahren fällig. Ein hoher Preis für die Steuerzahler, der nun dafür gezahlt werden muss, dass im Jahr 2009 auf politischer Ebene die Hoffnung bestand, die Werft und die Arbeitsplätze trotz der Auftragseinbrüche zu erhalten. Es fragt sich, wie risikobereit man hierbei war in Anbetracht der Altlasten und ob eine Beteiligung nach einer Bereinigung der Krise durch ein bereits 2009 schon durchführbares Insolvenzverfahren nicht gelinde gesagt geschickter gewesen wäre – eine Frage des Timings.

Die Tatsache jedenfalls, dass Wirtschaftssenator Frank Horch in einem Interview mit dem Hamburger Abendblatt (www.abendblatt.de) feststellt, in der für die Werftbranche kurzen Zeit seit dem Jahr 2009 habe sich Sietas am Offshore-Markt sehr gut entwickeln können, lässt die Schlussfolgerung zu, dass es offenbar eine Fehlentscheidung war, seinerzeit die Steuerzahler bürgen zu lassen: Denn eine bessere Fortführungsprognose als eine positive Entwicklung in der Neupositionierung im Offshore-Sektor hätte man der Entscheidung über die Bürgschaft nicht zugrunde legen können. Wenn also selbst bei der positiven Neuausrichtung seit der Krise 2009 bei der Werft die „Altlasten“ nicht bewältigt werden konnten, hätte ausgehend von einer solchen Best-Case-Prognose dies 2009 dem Vorsichtsgebot folgend berücksichtigt werden müssen und bereits zu diesem Zeitpunkt über die Einleitung eines Insolvenz-/Insolvenzplanverfahrens ein fresh start mit dann zu gewährenden Bürgschaften eingeleitet werden müssen.

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    Rechtsanwalt Oliver Gothe

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