Privilegierung der Finanzämter in Insolvenzverfahren durch das Sparpaket der Bundesregierung

Änderung des Insolvenzrechts, InsO, Insolvenzordnung, FiskusprivilegNachdem das sog. Sparpaket (Gesetzentwurf zum Haushaltsbegleitgesetz) zunächst vorsah, dass die Finanzämter wie zu Zeiten der Konkursordnung (also bis 1999) bevorzugt befriedigt werden, wurde nach viel Kritik und unter Einsatz von Justizministerin Leutheusser-Schnarrenberger dieses Vorhaben aufgegeben.
Sodann wurde nach einer anderen Möglichkeit gesucht, in einer Änderung in Insolvenzverfahren die geplanten 500 Mio. Euro in die Kassen zu spülen (welch ein Privileg des Staates, sich selbst über Gesetzesentwürfe eine Vorrangstellung gegenüber den übrigen Gläubigern entgegen dem Gläubigergleichbehandlungsgrundsatz zu verschaffen).

Noch nie in der über 130-jährigen Geschichte des deutschen Insolvenzrechts hat der Staat seine eigene Bereicherung so schamlos über die Interessen der anderen Gläubiger gestellt“, so Prof. Dr. Hans Haarmeyer, Vorstandsvorsitzender der Gläubigerschutzvereinigung Deutschland e. V. (GSV).

Die einschneidenste Änderung in der geplanten Neuregelung des Insolvenzrechts werden die künftig nicht mehr realisierbaren Anfechtungsansprüche gegen die Finanzverwaltung sein. Gegenwärtig können Vollstreckungsmaßnahmen des Fiskus aus der Zeit, in der das Unternehmen schon zahlungsunfähig war, angefochten werden – so wie Begünstigungen jedes anderen Gläubigers auch. Diesen Rückzahlungsansprüchen kann nach der geplanten Änderung die Finanzverwaltung künftig Steuerforderungen aus der Vergangenheit entgegen halten (Aufrechnungsmöglichkeit für Finanzämter auch in der Insolvenz als Privileg). Da in der Praxis nahezu jedes insolvente Unternehmen über erhebliche Steuerverbindlichkeiten verfügt, sind die Auswirkungen beträchtlich: zu Lasten der vielen mittelständischen Unternehmen, deren Aussichten auf Zahlungen (Quote) sich weiter verringert (soweit eine Verschlechterung von gegenwärtig rund 3 % Quote im Durchschnitt rechnerisch möglich ist).
Im bereits kranken Organismus des Insolvenzverfahrens (die in den meisten Fällen nur den finanziellen Interessen der Insolvenzverwalter dienen, aber kaum denen der Gläubiger, die durch die Insolvenz selbst in Schieflage geraten) werden mit dieser geplanten Privilegierung der Finanzämter weitere katastrophale Effekte zu erwarten sein. So ist damit zu rechnen, dass sich die Finanzämter mit außergerichtlichen Sanierungslösungen nicht abgeben werden, weil das Insolvenzverfahren zu einer privilegierten Stellung führt. Gerade solche außergerichtlichen Sanierungslösungen können die erheblichen Kosten eines Insolvenzverwalters und die Zerschlagung in der Praxis häufig verhindern und somit zu erheblich höheren Befriedigungsquoten (als die rund 3 % in Insolvenzverfahren) führen.
Auch Insolvenzpläne können dann in vielen Fällen aus den gleichen Gründen an der mangelnden Zustimmung der Finanzämter scheitern.

Und das ärgerliche an der geplanten Privilegierung durch die Hintertür:

Es handelt sich hier um eine massive Täuschung in der politischen Willensbildung und der öffentlichen Darstellung. Sowohl Parlament als auch Öffentlichkeit wurden über die tatsächlichen Auswirkungen der Neuregelung bewusst im Unklaren gelassen„, so Prof. Dr. Hans Haarmeyer. Der ehemalige Konkursrichter meint weiter: Zu einer dringenden Neuordnung in Sinne Verbesserung der Sanierungskultur gehört auch, dass endlich die vielfach überbordenden Vergütungen in Insolvenzverfahren auf den Prüfstand kommen.

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    3 Kommentare zu “Privilegierung der Finanzämter in Insolvenzverfahren durch das Sparpaket der Bundesregierung

    1. says:

      @ Jonas Sommer: siehe den aktuellen Beitrag im Blog – „Haushaltsbegleitgesetz 2011 und das Fiskusprivileg“

    2. JonasSommer
      says:

      Sehr geehrter Herr Syren,
      inzwischen ist das Haushaltsbegleitgesetz 2011 verabschiedet worden,
      so wie ich es verstanden habe wurde darin festgelegt, dass Steuerverbindlichkeiten im vorläufigen Insolvenzverfahren nun zu Masseschulden werden.
      Könnten Sie mir sagen, ob ich in dieser Annahme richtig gehe bzw. ob noch weitere Formen der Privilegierung des Fiskus beschlossen wurden?

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