Rechte von Selbständigen und Einzelunternehmern im Insolvenzverfahren
Von Rechtsanwalt Dipl.Vw.Wirt Oliver Syren
In meiner Beratungspraxis und Begleitung betreffend selbständig Tätige ergibt sich oft die zentrale Frage ‚Wie geht es weiter mit meiner Einzelunternehmung (Praxis oder anderen selbständigen Tätigkeit) im Insolvenzverfahren?*
Die gute Nachricht: in allen meinen Fällen bisher ist es gelungen, dass der Geschäftsbetrieb fortgesetzt werden konnte.
Freigabe eines Geschäftsbetriebes aus der Insolvenzmasse
Selbständige in der Insolvenz – Ärzte, Steuerberater, Rechtsanwälte, also Freiberufler und Einzelunternehmer, Gewerbetreibendes ohne GmbH fragen in ersten Beratungsterminen meist, wie es mit dem Geschäft, der Praxis, dem Geschäftsbetrieb in einem Insolvenzverfahren weiter geht.
Nach dem Insolvenzantrag wird ein Gutachter und vorläufiger Insolvenzverwalter bestellt und der Geschäftsbetrieb (die Praxis usw.) wird fortgeführt.
Nach (idR 3 Monaten) wird das Insolvenzverfahren eröffnet und punktgenau mit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens erfolgt oft eine sog. Freigabe der gewerblichen/selbständigen Tätigkeit. In der Praxis gibt der Insolvenzverwalter die selbständige Tätigkeit meist von sich aus frei. Grund: ohne Freigabe würde er selbst für neu entstehende Zahlungspflichten und vor allem Steuerschulden haften. Dieses Risiko ist ihm zu groß – er hat ja keine Ahnung von dem Geschäftsbetrieb.
Was ist abzuführen, wenn selbständige Tätigkeit freigegeben wird?
Der Insolvenzverwalter hat keinen Anspruch (mehr) auf Einkünfte der selbständigen Tätigkeit! In meinen Beratungen werde ich nach dieser klaren – gesetzlich und per Rechtsprechung geregelten Aussage fragend angeschaut: Was muss ich denn als Selbständiger nach Freigabe abführen?
Die Antwort ergibt sich (etwas undeutlich/umständlich formuliert) aus § 295 Abs. 2 InsO: maßgeblich ist das sog. fiktive Einkommen und gerade nicht der Unternehmensgewinn.
Vom Bundesverfassungsgericht inzwischen bestätigt: nach Freigabe ist das „neue Vermögen“ unantastbar
Das hat jetzt jüngst sogar das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) bestätigt
Schutz der Altersvorsorge vor dem Zugriff durch den Insolvenzverwalter und Gläubiger
Eine gute Nachricht für Selbständige in der Insolvenz oder Zwangsvollstreckung: Das Gesetz zum Pfändungsschutz der Altersvorsorge ist in Kraft getreten. Damit werden Lebens- oder Rentenversicherungen Selbständiger ähnlich geschützt, wie der gesetzliche Rentenanspruch von Angestellten, Arbeitern und Beamten.
Die alte Rechtslage: früher kein Schutz der Altersvorsorge Selbständiger
Nach bisheriger Rechtslage ist die Altersvorsorge von Angestellten, Arbeitern und Beamten durch die sog. Pfändungsfreigrenzen geschützt – in der Insolvenz und Zwangsvollstreckung ist der Zugriff nur auf die darüber hinausgehenden Beträge möglich.
Anders bei Selbständigen: Bisher konnte bei ihnen die Altersvorsorge (meist in Form von Kapital-Lebensversicherungsverträgen oder privaten Rentenversicherungsverträgen), vom Insolvenzverwalter verwertet und von Gläubigern vollständig gepfändet werden. Die Konsequenz ist der Verlust der Altersvorsorge im Insolvenzfalle gewesen.
Diese Ungleichbehandlung wird jetzt zugunsten der Selbständigen geändert.
Die neue Rechtslage: Welche Altersvorsorge wird geschützt?
Mit der Änderung wird das Vermögen, das zur Absicherung der Altersvorsorge bestimmt ist, sowie entsprechende Einkünfte Selbständiger vor der Verwertung im Insolvenzverfahren sowie vor dem Vollstreckungszugriff einzelner Gläubiger geschützt. Mit der Neuregelung werden selbständige Unternehmer besser abgesichert. Der Pfändungsschutz für Lebensversicherungen, die einen großen Anteil an der Altersvorsorge bilden, wird deutlich verbessert.
Der in § 851 c ZPO jetzt eingefügt Schutz hat einen doppelten Boden:
Zum einen sind die nach Eintritt des Versicherungsfalles von dem Versicherungsgeber (z. B. Lebensversicherung) zu zahlenden Renten in gleicher Weise geschützt wie Renten aus einer gesetzlichen Rentenversicherung. Um den Menschen den Aufbau einer solchen Alterssicherung überhaupt erst zu ermöglichen, wird auch das anzusparende Vorsorgekapital dem Insolvenz- und Pfändungsschutz unterstellt.
Zur Verhinderung eines Missbrauchs gibt es Einschränkungen des Insolvenz- und Vollstreckungsschutzes:
– Der Pfändungsschutz ist auf solches Vorsorgekapital beschränkt, das unwiderruflich in die Altersvorsorge eingezahlt wurde.
– Die Leistungen aus dem angesparten Kapital dürfen erst mit Eintritt des Rentenfalls oder im Fall der Berufsunfähigkeit ausschließlich als lebenslange Rente erbracht werden.
– Darüber hinaus hat der Versicherungsnehmer unwiderruflich darauf zu verzichten, über seine Ansprüche aus dem Versicherungsvertrag zu verfügen – sie können also beispielsweise nicht abgetreten oder in anderer Weise zur Finanzierung eingesetzt werden.
– Die Höhe des pfändungsgeschützten Vorsorgekapitals ist strikt limitiert und vom Lebensalter des Berechtigten abhängig (progressive Ausgestaltung).
Informieren Sie sich rechtzeitig über den Schutz Ihrer Altersvorsorge, um einen Schutz in der Vollstreckung oder Insolvenz zu haben: Es ist in vielen Fällen auch die Umstellung einer ungeschützten Altersvorsorge (zB Lebensversicherung) in eine pfändungsgeschützte, also auch insolvenzgeschützte Altersvorsorge möglich.