Wie läuft ein Insolvenzverfahren ab?
Von Rechtsanwalt Dipl.Vw.Wirt Oliver Gothe
Nach 100 Jahren Konkursordnung und sieben Jahren Insolvenzordnung fehlt es in Deutschland noch immer an einer Insolvenzkultur, obwohl formal ein für Unternehmen und Schuldner sehr funktioneller Rahmen in Form des Insolvenzverfahrens vorhanden ist.
Die Insolvenz – also Überschuldung oder Zahlungsunfähigkeit – wird immer noch als eine persönliche Niederlage angesehen mit einhergehenden Schwellenängsten, den notwendigen Schritt des Insolvenzantrages zu gehen. Der Preis hierfür ist hoch: Die Geschäftsführer bzw. Vorstände haften für Vermögensschmälerungen nach Eintritt der Krise (Lesen Sie dazu bitte meinen Artikel Geschäftsführerhaftung in der Insolvenz und Insolvenzantragspflicht ). Derartige Haftungsansprüche machen Insolvenzverwalter gerne geltend, da hierdurch nicht nur die Insolvenzmasse, sondern in erster Linie ihre Vergütung erhöht wird.
Die Schuldner geraten in die Defensive und die Chance einer Krisenintervention mit etwa einer außergerichtlichen Schuldenbereinigung wird auf diese Weise verpasst.
Der Gläubigerschutz durch das Insolvenzverfahren
Die Eröffnung des Insolvenzverfahrens kann (als so genannter Eigenantrag) bereits dann beantragt werden, wenn die Zahlungsunfähigkeit droht, also voraussichtlich die Zahlungspflichten im Zeitpunkt der Fälligkeit nicht erfüllt werden können. Mit Antragstellung entsteht Gläubigerschutz: Einzelne Gläubiger sollen sich nicht über Zwangsvollstreckungen Vorteile verschaffen können – es sollen alle Gläubiger gleichmäßig befriedigt werden.
Die Löhne der Arbeitnehmer werden bis zu drei Monate lang über das Insolvenzgeld finanziert: Das Unternehmen kann daher in dieser Zeit ohne Lohnkosten fortgeführt werden. Nach Eröffnung entscheidet der Insolvenzverwalter, ob Verträge erfüllt werden sollen oder nicht, weil sie sich etwa betriebswirtschaftlich nicht rechnen.
Kurz: Es bestehen zahlreiche Instrumente zum Vorteil des Schuldners/insolventen Unternehmens.
Gestaltungsmöglichkeiten des Schuldners, Geschäftsführers, Vorstands
Viele Unternehmen/Schuldner sorgen sich davor, durch Ernennung eines möglicherweise betriebswirtschaftlich inkompetenten Insolvenzverwalters entmündigt zu werden. Tatsache ist, dass in der Tat nach „seriösen Schätzungen“ von den derzeit rund 1200 Verwaltern höchstens 200 überhaupt unternehmerisch genügend qualifiziert sind – der Rest erfüllt die verbreiteten Erwartungen, nämlich, dass die Insolvenz das Ende des Unternehmens ist (Quelle: F.A.Z. vom 02.11.2005, Nr. 255 Seite 27, Hans Haarmeyer).
Damit zeigt sich, dass nicht das Regelwerk Insolvenzordnung das Problem ist, sondern die sie ausführenden Organe. Hier gibt es jedoch Instrumente, um bis zur Einführung einer bereits diskutierten und notwendigen „Qualitätsprüfung“ der Verwalter das Defizit zu überbrücken: Die Eigenverwaltung, die Erstellung eines Insolvenzplans und überhaupt die Begleitung/Beratung des Unternehmens/Schuldners durch einen erfahrenen Insolvenzanwalt. Dann kann auch interveniert werden, wenn Insolvenzverfahren nach der Devise „Masse statt Klasse“ bei Insolvenzverwaltern nach einer Anlaufphase quasi „nebenher“ laufen. Der Insolvenzverwalter steht unter der Aufsicht des Insolvenzgerichts und kann von ihm aus wichtigem Grund aus dem Amt entlassen werden. Auch der Gläubigerausschuss überwacht den Verwalter.
Häufig die bessere Wahl: außergerichtliche Schuldenbereinigung
Ein weiterer Vorteil, wenn früh genug agiert wird, bevor Insolvenz eingetreten ist: Es kann ein außergerichtlicher Schuldenbereinigungsplan entwickelt und umgesetzt werden. Die Gefahr einer Entmündigung durch einen möglicherweise inkompetenten oder überlasteten Verwalter und die hohe Vergütung des Verwalters können vermieden werden.
Die Erfahrung zeigt, dass Gläubiger – vor die Alternative gestellt, nur die (meist schmale) Quote in einem Insolvenzverfahren zu erhalten – lieber einer Schuldenbereinigung zustimmen, wenn sie einen nennenswerten Betrag oder aber realistische Raten aus der Fortführung des Unternehmens erhalten. Verständlich, wenn man sich vor Augen führt, dass in den meisten Fällen ein beträchtlicher Teil des im Insolvenzfall noch vorhandenen Vermögens über die Vergütung des Verwalters vorab aufgezehrt wird und nach vielen Jahren eine Quote im unteren einstelligen Prozent oder Promillebereich gezahlt wird: Diese Tatsache hat sich herumgesprochen.
Da häufig nach Betriebsfortführungen während des Insolvenzgeldzeitraumes in den ersten drei Monaten der Geschäftsbetrieb eingestellt wird bzw. die Selbständigkeit eines Schuldners unterbunden wird, ist mit unternehmerischen Einnahmen nicht mehr zu rechnen.
Stattdessen werden die Assets des Unternehmens veräußert – Dritte, häufig aus dem Kreis des Schuldners übernehmen den Geschäftsbetrieb unter Befreiung von der „Last der Gläubiger“. Der Verwalter ist in diesen Fällen froh, einen unkomplizierten Käufer gefunden zu haben und spricht von „übertragener Sanierung“. Selbstverständlich handelt es sich gerade nicht um eine Sanierung, sondern um Abwicklung, die bei manchen Verwaltern wegen des geringen Aufwandes populär ist, sobald (gerade auch für die Vergütung) ein „ausreichender“ Massebestand vereinnahmt worden ist. In diesen Fällen sind natürlich die Gläubiger gut beraten, etwas näher hinter die Kulissen des Insolvenzverfahrens zu schauen. Die Instrumente des Gläubigerausschusses, Anfragen beim Insolvenzgericht oder schlicht die Wahrnehmung der Akteneinsichtsrechte bringen Licht ins Dunkel.
Die Tatsache, dass Gläubiger im Insolvenzverfahren häufig leer ausgehen, hat sich herumgesprochen. Es bedarf dennoch einer besonderen Kommunikationsfähigkeit, ihnen gegenüber die Vorteile einer außergerichtlichen Schuldenbereinigung darzustellen und diese technisch so zu gestalten, dass sie nicht faktisch zur Insolvenzverschleppung mit den bereits aufgezeigten Haftungskonsequenzen wird.
Ziel meiner Beratung und Verfahren ist es, möglichst Insolvenzverfahren zu vermeiden und wirtschaftlich sinnvollere Lösungen zu finden.
In Fällen, in denen das Insolvenzverfahren der richtige Weg ist, begleite ich bereits ab Vorbereitung bis zum erfolgreichen Abschluss.
Für Privatinsolvenzen birgt die außergerichtliche Schuldenbereinigung die Chance eines Neuanfangs ohne die fünfjährige sog. Wohlverhaltensphase und wird nach den einschneidenden Änderungen im Bereich der Verbraucherinsolvenzverfahren weiter an praktischer Bedeutung gewinnen.
Fazit: Eine frühzeitige Krisenintervention birgt die Chance, aktiv zu agieren und die Vorteile einer außergerichtlichen Schulenregulierung/Sanierung oder eines vom Schuldner aktiv mitgestalteten Insolvenzverfahrens zu nutzen.
Nehmen Sie gerne Kontakt auf, um weitere Informationen zu erhalten und die Möglichkeiten für Sie persönlich zu besprechen.