Eröffnung des Insolvenzverfahrens zulässig?

Vorsatzanfechtung § 133 InsO entschärft
BVerfG: Eröffnung Insolvenzverfahren unzulässig

 

Insolvenzverfahren bedeuten entweder einen Weg, schuldenfrei zu werden – in vielen Fällen jedoch gelangen Unternehmen unbegründet in ein Verfahren und damit in einen Kontrollverlust. Ist ein Insolvenzverfahren angestoßen (Insolvenzantrag), gelangt ein Unternehmer nur schwer – ist es eröffnet, gelangt man fast gar nicht mehr aus den Fängen der Justiz.

So geschehen mit einer GmbH es in einem jüngst vom Bundesverfassungsgericht (BVerfG) entschiedenen Fall, mit dem aufgrund einer Verfassungsbeschwerde der Eröffnungsbeschluss des Amtsgerichts Hamburg als Insolvenzgericht aufgehoben wurde.

Insolvenzantrag war unzulässig – GmbH wehrte sich erfolgreich

Das BVerfG hält im jetzt entschiedenen Verfahren den Beschluss über die Eröffnung des Insolvenzverfahrens für (teilweise) verfassungswidrig, weil der Insolvenzantrag des Gläubiger nicht zulässig war, wörtlich:

Der Beschluss des Landgerichts Hamburg vom 25. Oktober 2021 verletzt das Grundrecht der Beschwerdeführerin aus Art. 3 Abs. 1 (in der Ausprägung als Willkürverbot) in Verbindung mit Art. 19 Abs. 3 GG.

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a) Ein Richterspruch verstößt nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts dann gegen den allgemeinen Gleichheitssatz in seiner Ausprägung als Verbot objektiver Willkür (Art. 3 Abs. 1 GG), wenn er unter keinem denkbaren Aspekt rechtlich vertretbar ist und sich daher der Schluss aufdrängt, dass er auf sachfremden Erwägungen beruht.

und weiter:

Die Entscheidung des Landgerichts ist schlechterdings unhaltbar. Die tragende Erwägung, auf die Zulässigkeitsvoraussetzungen eines Insolvenzantrags komme es nicht an, sofern nur zum Zeitpunkt der Verfahrenseröffnung ein Insolvenzgrund tatsächlich gegeben sei, verkennt die Bedeutung der Vorschrift des § 14 Abs. 1 Satz 1 InsO, deren Zusammenspiel mit § 16 InsO und den Prüfungsumfang des Gerichts in nicht mehr nachvollziehbarer Weise. Sie ist damit unter keinem denkbaren Aspekt rechtlich vertretbar.

Im Laufe meiner über 20-jährigen Praxis in Insolvenzverwaltung und auf Seiten von Unternehmern in der Krise habe ich selten eine so klare Ansage mit Aburteilung der Verfahrenseröffnung durch das Insolvenzgericht und des bestätigenden Landgerichts gelesen: Mit – für das BVerfG ungewöhnlich – klaren Worten wird die Ansicht kritisiert, dass es auf die Zulässigkeitsvoraussetzungen eines Insolvenzantrags nicht ankomme, wenn zum Zeitpunkt der Verfahrenseröffnung tatsächlich ein Insolvenzgrund vorliegt.

Insolvenzgericht ging über Frage der Zulässigkeit des Insolvenzantrages hinweg

Das Bundesverfassungsgericht betont die gesetzlich klare Regelung, dass die Prüfung der Zulässigkeitsvoraussetzungen eines Insolvenzantrags gemäß § 14 Absatz 1 Satz 1 Insolvenzordnung (InsO) im Vorfeld der Eröffnungsentscheidung zwingend erforderlich sei.
Für die Eröffnung eines Insolvenzverfahrens ist ein zulässiger und begründeter Insolvenzantrag notwendig; dabei müssen antragsteilende Gläubiger ein rechtliches Interesse an der Eröffnung darlegen und ihre Forderungen sowie den Eröffnungsgrund glaubhaft machen.
Diese Voraussetzungen hatten sowohl Amtsgericht Hamburg (Insolvenzgericht) als auch die nächsthöhere Instanz beim Landgericht Hamburg nicht ausreichend berücksichtigt und diese Entscheidungen als unhaltbar eingestuft.

Von der gesamten Entscheidung können sich Interessierte unter: https://www.bundesverfassungsgericht.de/SharedDocs/Entscheidungen/DE/2023/12/rk20231213_2bvr220421.html

ein eigenes Bild machen.

Hier finden Sie meinen Kommentar bei YouTube zur Frage, was Geschäftsführer einer GmbH bei Insolvenzanträgen von Gläubigern tun sollten und tun können:




Rechtsschutz von Unternehmern bei Insolvenzanträgen

In der wirtschaftlichen Krise befinden sich Unternehmen in der Zwickmühle: wird Insolvenzantrag gestellt, entscheidet fortan ein vom Insolvenzgericht bestellter Insolvenzverwalter über das weitere Schicksal; in der Regel ein Jurist (kein Unternehmer) mit eigenen Interessen in einem für Unternehmen suboptimalen Insolvenzrecht. Wenn bei Zahlungsunfähigkeit/Überschuldung einer GmbH/AG oder auch Verein nicht Insolvenzantrag gestellt wird, drohen Bestrafung und Schadensersatz wegen Insolvenzverschleppung.

In diesem Spannungsfeld zwischen unternehmerischer Freiheit, Hoffnung und proaktiven Auswegen aus der Krise auf der einen und dem Kontrollverlust durch oktroyiertes in der Praxis meist auf Abwicklung des Unternehmens gerichteten Insolvenzverfahren finden die Interessen des Unternehmens oft keine große Berücksichtigung mehr.

Es ist gut, dass hier das Bundesverfassungsgericht eine gesetzliche Selbstverständlichkeit deutlich gemacht hat, dass ein Insolvenzantrag zulässig – also die Zahlungsunfähigkeit glaubhaft gemacht – sein muss. Insolvenzanträge werden – in der Praxis oft seitens Krankenkassen – gestellt, um entweder Zahlungen zu erzwingen oder um Unternehmen einer ‚geordneten Abwicklung‘ zuzuführen. Die wirtschaftlichen Schwierigkeiten, in der Krise, zur Fälligkeit teils enormer ‚Nebenkosten‘ abzuführen, treffen oft auf eine kafkaeske Bürokratie, die kaum unternehmerischen Spielraum lässt.

Anwaltliche Begleitung vor Insolvenzantrag

Im hier entschiedenen Fall ist es mit anwaltlicher Begleitung gelungen, der Eigendynamik in Richtung Eröffnung des Insolvenzverfahrens zu entkommen. Dem Unternehmer stehen oft Gutachter (idR auch der spätere Insolvenzverwalter) und Insolvenzgericht entgegen statt beiseite, unternehmerische Interessen spiele da oft keine Rolle. Die Einschaltung eines erfahrenen Insolvenzanwalts – als Berater und nicht als Verwalter – ist systembedingt daher ratsam.

 

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    2 Kommentare zu “Eröffnung des Insolvenzverfahrens zulässig?

    1. says:

      Wenn bereits ein Insolvenzantrag gestellt wurde, gibt es noch Möglichkeiten, ohne Insolvenzverfahren eine Lösung zu finden – es ist allerdings schnelles Handeln nötig: Gerne übernehme ich das – Verständigung mit Gläubiger, Insolvenzgericht, ggf. (wenn schon bestellt) Gutachter / vorläufiger Insolvenzverwalter…
      Nehmen Sie gerne über das Kontaktformular, eMail oder telefonisch Kontakt zu mir auf und wir besprechen, was ich tun kann.

    2. Meyer, Michael
      says:

      Ich bin Geschäfsführer einer GmbH und gegen unser Unternehmen wurde jetzt ein Insolvenzantrag gestellt, Krankenkasse wegen Sozialversicherungsbeiträgen…
      Die Forderungen halte ich nicht für berechtigt, aber jetzt hat sich bereits das Insolvenzgericht gemeldet und ich will kein Insolvenzverfahren und eine Lösung ohne Insolvenz finden und mich mit der Techniker (TK) und den anderen Gläubigern wie Barmer, BKK usw. weiter verständigen, um die GmbH zu ‚retten‘.

      Es ist also so ein Fall, wie Sie ihn in Ihrem interessanten Artikel beschreiben und ich habe hoffnung, vielen Dank – können Sie mir kurzfristig helfen als Insolvenzanwalt?

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