Arcandor-Insolvenz: schlechter Stil aus dem Kreis der Insolvenzverwaltung?

Arcandor Karstadt-InsolvenzIn Der Tagesspiegel ist zu lesen, dass die Mannschaft der Insolvenzverwaltung um den Verwalter Klaus-Hubert Görg offenbar durch überheblichen Stil bis hin zu Beleidigungen, Einschüchterungen und falsche Versprechen aufgefallen sein soll. Es soll entsprechende Beschwerden mehrerer Mitarbeiter geben. Laut Tagesspiegel soll einem Arbeitnehmer eine Zukunft bis Ende des Jahres zugesichert haben, dieser habe kurz darauf die Kündigung erhalten mit der Anmerkung: die Stelle gebe es bis dann, ihn nicht.

Der Insolvenzverwalter, Klaus-Hubert Görg selbst hat in der Branche einen tadellosen Ruf. In der Praxis werden jedoch viele Aufgaben delegiert und erledigt – von Mitarbeitern oder Beauftragten des Verwalters, die häufig nahezu ausschließlich in der Insolvenzverwaltung tätig und hierdurch konditioniert sind.
Das dürfte nicht überraschend sein – auch wenn die im Tagesspiegel geschilderten Ereignisse irritieren: Der Insolvenzverwalter und dessen Zuarbeiter sind nicht die Berater des von der Insolvenz betroffenen Unternehmens oder der Gläubiger. Sie haben eigene wirtschaftliche Interessen und einen großen durch die Insolvenzordnung geschaffenen Spielraum, in dem sich je nach Qualität und Charakter die Verwalter und dessen Mitarbeiter und Beauftragte sehr unterschiedlich gerieren. Das ist – wie in den vom Tagesspiegel berichteten Fällen – natürlich auch eine Stilfrage („Herren ohne Stil“ titelt Der Tagesspiegel). Inhaltlich falsche Entscheidungen werden im Arcandor-Insolvenzverfahren nicht gerügt.

Es gibt in der allgemeinen Insolvenz-Praxis bei anderen – vor allem nicht derart im Medieninteresse stehenden – Insolvenzverfahren weiterreichende Probleme, nämlich ein Defizit in der Kontrolle und fachlichen Qualität der Insolvenzverwaltung: Der ehemalige Insolvenzrichter und Wissenschaftler Prof. Dr. Hans Haarmeyer, der als einer der schärfsten Kritiker des deutschen Systems der Insolvenzverwaltung gilt, stellt fest, dass im Durchschnitt zwei Drittel des Vermögens eines insolventen Unternehmens für dessen Verwaltung und Verwertung aufgewendet werden (so nachzulesen in: SZ Süddeutsche Zeitung unter dem Titel „Plattmachen statt sanieren“). „Statt die Gläubiger bestmöglich zu befriedigen, versorgt die Abwicklung eines Insolvenzverfahrens offenbar weitgehend und flächendeckend nur die Insolvenzverwalter und die mit ihnen verbundenen Strukturen“, bemängelt Hans Haarmeyer. Die Bestellpraxis der Insolvenzgerichte ist uneinheitlich und teilweise untransparent.

Es gibt von verschiedenen Seiten das Engagement, die aktuelle Situation zu ändern. Unter anderem von Seiten der Gläubiger, die meist leer ausgehen. Das Institut für Mittelstandsforschung (IfM) hat rund 15.000 Insolvenzverfahren aus den Jahren 2002 bis 2007 analysiert und festgestellt, dass in zwei Drittel der Verfahren die Gläubiger leer ausgegangen sind. Nach Abzug der Verfahrenskosten (also vor allem der Verwaltervergütung) und der sog. Masseverbindlichkeiten gab es nichts mehr zu verteilen. Und in Fällen, in denen am Ende noch Masse vorhanden war, erhielten die Gläubiger im Durchschnitt nur 5,4 Prozent ihrer Forderungen.

Die Unzufriedenheit unzähliger leer ausgehender Gläubiger hat sich institutionalisiert in der Gläubigerschutzvereinigung Deutschland (GSV). Von dort ist inzwischen ein Bewertungssystem für Insolvenzverwalter geschaffen worden. Die Forderungen der GSV reichen aber weiter: Es soll u. a. ein geordnetes außergerichtliches Sanierungsverfahren geschaffen, ein betriebswirtschaftlich geschultes Personal auf Seiten der Insolvenzgerichte eingerichtet und ein an strenge Qualitätsmaßstäbe gebundenes Zulassungsverfahren für Insolvenzverwalter eingeführt werden.

Bis zur Umsetzung bleibt es beim Weg in die Insolvenz für die Unternehmensleitung und die Gläubiger weiterhin auch Glücksache, wer die durch die Insolvenzordnung vorgegebenen Aufgaben und Pflichten im Insolvenzverfahren ausübt.

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    3 Kommentare zu “Arcandor-Insolvenz: schlechter Stil aus dem Kreis der Insolvenzverwaltung?

    1. Axel S. Lange
      says:

      Mir stellt sich die Frage, ob Kontrolle die richtige Antwort auf die von Ihnen aufgeworfenen Fragen darstellt.

      Auch wenn sich hier seit Änderung des Insolvenzrechts einiges getan hat, so besteht aus meiner Sicht bei der Auswahl der Insolvenzverwalter noch Verbesserungsbedarf:

      Je stärker der Fortführungs- und Sanierungsgedanke auch beim Gesetzgeber gestärkt wird, desto höher sind die Anforderungen an Verwalter, was betriebswirtschaftliche Kenntnisse, aber auch spezifisches Branchen Know-How angeht. Während Liquidation und Zerschlagung, aber auch die harte Sanierung über viele Branchen ähnlich durchgeführt werden, erfordert die Rückkehr auf einen nachhaltigen Entwicklungspfad oftmals eine deutlich individuellere Heransgehensweise. Hier ist der Einsatz branchenerfahrener Verwalter sicherlich empfehlenswert.

      Hier drängt sich der Gedanke auf, die Bestellung des vorläufigen Verwalters zumindest einer „Teilstrukturierung“ zu unterwerfen: So könnte ein verbindlicher Kriterienkatalog bei der Auswahl anzuwenden sein. Selbstverständlich muss dem Richter ein so breiter Ermessensspielraum eingeräumt werden, der es ihm ermöglicht, seine Berufserfahrung und die Erfahrungen mit einzelnen Verwaltern in seine Entscheidung einfließen zu lassen. Gleichwohl würde die Pflicht zur Berücksichtigung von Auswahlkriterien und zur Dokumentation des Auswahlverfahrens qualitätsverbessernd wirken, ohne dass sehr aufwendige Kontrollschritte eingeführt werden müssen.

      Ein weiteres Thema ist die persönliche Haftung des Insolvenzverwalters, die einen Anreiz zur Realisierung risikoarmer Strategien vor allem bei größeren Verfahren setzt. Doch zum Thema Anreize mehr beim nächsten Mal…

    2. says:

      Danke für Ihren konstruktiven Beitrag: Ich finde Ihren Gedanken der frühzeitigen Planung/Fortführungsprognose sehr gut. Bei Krankenkassen vor allem besteht jedoch in der Praxis die Problematik, dass das Instrument der Insolvenzantragstellung häufig im Wege sog. „Druckanträge“ eingesetzt wird. Dem wird u. a. in Hamburg von seiten der Insolvenzgerichte begegnet, das Inkasso bleibt jedoch (nachvollziehbares) Primärziel der Sozialversicherungsträger: Hier besteht ein bedeutendes Unterscheidungsmerkmal in der Systemik der betroffenen Gläubiger. Manche Banken haben demgegenüber einen zukunftsgewandten Ansatz. Einmal wegen des hohen Engagements und der Verwertung der Sicherheiten. Zum anderen wegen eines möglichen weiteren Engagements/Geschäfts…
      Eine Prognose/Planung vor Insolvenz unter Einbeziehung der Gläubiger ist jedoch dennoch wichtig und auch für die Gläubiger wirtschaftlich oft sinnvoll, im Sinne einer Insolvenzvermeidung – in manchen Fällen. Das ist eine wichtige Aufgabenstellung in der Praxis der insolvenznahen Beratung – einhergehend mit Absicherung vor Haftungsansprüchen gegen die Geschäftsführung/den Vorstand und die Gesellschafter.

      Ich halte auch die Betrachtung der (möglichen) Versäumnisse des Managements für wichtig und die Aufarbeitung ist eine gesetzliche Aufgabe des Vewalters. Daneben erwarte ich von der medialen Berichterstattung, dass das System der Insolvenzverwaltung und die tatsächliche Tätigkeit in der Insolvenzverwaltung hinterfragt wird. Die Kontrollmöglichkeiten durch die Insolvenzgerichte sind nach meiner Einschätzung nicht ausreichend.

    3. Axel S. Lange
      says:

      …ein paar assoziative Gedanken zum Artikel:

      Es sollte nicht verschwiegen werden, dass sich in der GSV Vertreter von Krankenkassen, Rentenversicherungen, BGs und Finanzverwaltungen zusammen geschlossen haben. Das sind die Institutionen, die häufig selbst ohne jegliche Verhandlungsbereitschaft Insolvenzen durch eigenen Antrag auslösen.

      An dieser Stelle stellt sich daher die grundsätzliche Frage, ob diese „schematisierte“ Insolvenzauslösung durch vorgenannte ungesicherte Gläubiger der angemessene Schritt ist. Eine Bank lässt in Fällen, in denen sie die Zukunftfähigkeit eines Unternehmens nicht eigenständig beurteilen kann, ein Gutachten erstellen.

      Wenngleich viele Gutachten nicht die erforderliche Umsetzungsorientierung aufweisen, so ist doch dieses Verfahren grundsätzlich sinnvoll und kann möglicherweise auch von den vorgenannten Institutionen übernommen werden. Natürlich ist dabei die Kostenfrage zu klären.

      Durch die frühzeitige Einbeziehung eines betriebswirtschaftlich und in der jeweiligen Branche versierten Beraters können betriebswirtschaftliche Schwachstellen im Unternehmen gezielt ausgeglichen werden und existenzrettende Sofortmaßnahmen ergriffen werden. Sollte es dann doch zu einer Insolvenz kommen, ist häufig mit den bereits durchgeführten Analysen eine Basis geschaffen worden, die dem Verwalter nicht nur einen schnelleren Einstieg ins „Thema“ ermöglicht, sondern ihn auch in Richtung einer unternehmerisch sinnvollen Ausrichtung des Unternehmens lenken kann.

      Dabei ist allerdings zu berücksichtigen, dass auch erfahrene Sanierungsberater mit Branchenexpertise bei weitem nicht jedes Unternehmen retten (können).

      Wenn der ehrliche Wille der Politik besteht, die Chancen für die Rettung unternehmerischer Einheiten zu steigern, kommt diese an einer Änderung des Arbeitsrechts, dem Hauptproblem in der Insolvenz zu restrukturierender Unternehmen, nicht vorbei.

      Last not least noch ein Punkt:

      Herr Görg verfügt in der Tat in der Branche über einen tadellosen Ruf. Seine Mitarbeiter gelten als sehr fachkundig und inhaltsorientiert.

      Herr Görg dürfte sich kaum Freunde gemacht

      a.) beim Ex-Management
      b.) beim Betriebrat

      von Arcandor

      Mich würde interessieren, wer hier den Tagesspiegel dazu gebracht hat, diese doch recht pauschalen und sehr singulär erscheinenden Vorwürfe zu veröffentlichen; hilfreich für das Verfahren ist das sicherlich nicht. Aus journalistischer Sicht viel interessanter dürfte es sein, sich Verhalten und Aktivitäten ehemaliger Manager der Gruppe zuzuwenden.

      Karstadt wurde über viele Jahre durch „Konzernierung“ vom flexiblen, agilen Handelsunternehmen zu einer „Distributionsverwaltung“ umerzogen. Wenn nun unter Zeitdruck diese Fehler wieder zurückgebogen werden müssen, wird jedem einleuchten, dass das nicht ohne die eine oder andere harte Aussage ablaufen kann.

      Besten Gruß,
      AL

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